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[TC2] Trio I - The Case - Druckversion

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[TC2] Trio I - The Case - Black-Cat - 19.10.2010

[Bild: kazubanner.png]

Und da war ich. Ein kleiner rechteckiger Raum, ich auf einem kleinen ungemütlichen Stuhl, mir gegenüber, auf der anderen Seite eines großen Schreibtisches, ein rundlicher, glatzköpfiger Mann mit Brille und einer Pfeife im Mund. Hinter ihm war eine Wand aus Panzerglas durch welche hindurch man auf einen quadratischen Platz sehen konnte, sollte einen nicht wie mir, direkt die Sonne ins Gesicht scheinen. Auf dem Platz tummelten sich einige Menschen, alle einheitlich gekleidet in orange… mir stand kein orange, das wusste ich bereits jetzt.
Dieser Ort war ein Gefängnis. Wieso war ich hier? Ich bin unschuldig!!! Ja, das werde ich diesem dicken Männchen sagen und er wird mich wieder gehen lassen. Nein, natürlich nicht… wir saßen nun schon fünf Minuten hier. Er hatte mich nach meinen Namen gefragt, wie alt ich war und ob ich wüsste, wieso ich hier sei.
Kazuo Mél, 15 Jahre, keinen Schimmer.“ war meine knappe Antwort gewesen. Er hatte geseufzt und auf ein Knöpfchen gedrückt. Seitdem war nichts passiert, nun öffnete sich die Tür und eine bekannte Stimme - warum musste es diese Stimme sein? - drang an meine Ohren.
„Haben wir dich endlich geschnappt, Black Hawk, Kazuo Mél.“
Ich drehte mich nicht einmal um, um zu sehen wer da war. Ich wartete bis er neben mir Stand und seine hässliche Visage in mein Blickfeld zwängte.
„Wie oft du mir durch die Lappen gegangen bist, aber heute sitzt du endlich hier und wirst hier noch laaange sitzen, hahaha.“
Dieser Typ war zwei Dinge: Ein unglaublich starker, zwei Meter großer, nahezu unverletzlicher Cyborg… und der größte Idiot, den ich je kennenlernen durfte. Sein Name ist Ender, Captain Ender von der The City Polizei. Er hat schon oft kläglich versagt mich hobs zu nehmen, wenn ich irgendwo einen Raub begangen hatte oder anderwärtig gegen das Gesetz verstieß. Auch dieses Mal war es nicht er gewesen, der mich geschnappt hatte, also was wollte er überhaupt?
„Hey, Ender, altes Haus, was verschlägt dich in diese Gefilde?“
„Klappe, Mél! Ich bin hier, weil ich deine gesamte diebische Laufbahn kenne und deine Schuld klar zu stellen.“
„Meine diebische Laufbahn? Du meinst wohl deine Laufbahn an Fehlschlägen, hm Ender?“
„Klappe MÉL!!“
Der dicke Mann hinter dem Schreibtisch (hatte ich erwähnt, dass er der Gefängniswärter war?) räusperte sich.
„Captain Ender, Sie sagen, dieser Junge sei nicht nur für den heutigen Superladenüberfall sondern für viele andere Diebstähle und Missetaten verantwortlich. Könnt Ihr dies beweisen?“
Enders Mund öffnete sich etwas über diese Frage, dann schloss er ihn mit Hilfe einer Handbewegung.
„Sir, dieser junge Mann ist ein Tunichtgut wie er im Buche steht. Er hat eine Gefängnisstrafe über alles verdient!“
„Beweise, Ender?“
Ein Grinsen zog sich über mein Gesicht. Wie sollte er jetzt plötzlich Beweise hervor zaubern. Dieser Holzkopf hatte einfach nie Glück. Fast nie… in diesem Moment sprang die Tür auf und eine junge Polizistin trat ein. Ich hatte sie schon einmal mit Ender gesehen, doch noch keine persönliche Bekanntschaft mit ihr gemacht. Bedauerlich, denn aus der Nähe betrachtet sah sie gar nicht so übel aus.
„Ah, Isato, perfektes Timing!“ rief Ender aus, freudestrahlend auf das Mädchen zuspringend, welches auswich und ihn gegen die Tür knallen ließ. Unbekümmert ging sie an ihm und mir vorbei zum Gefängniswärter und reichte ihm ein Briefkuvert. Dieser öffnete es und zog einige Fotos hervor. Ich versuchte zu erhaschen, was darauf zu sehen war, doch die gute Isato ersparte mir dies.
„Diese Fotos zeigen Kazuo Mél bei dessen verschiedensten Raubüberfällen.“ erklärte sie dem Wärter und warf dann einen Blick zu mir. Was sie nicht erwartet hatte, war, dass ich sie anlächelte.
„Heute schon was vor?“ fragte ich sie lächelnd, doch ignorierte sie mich gekonnt.
„Gut gemacht Isato, jetzt haben wir ihn!“
Ender war derweilen wieder auf seinen Beinen und sprang erneut auf Isato zu. Erneut wich diese elegant aus und verließ den Raum.
„Ender, Alter, ich fühle mit dir. Das Teil is heiß.“
„Ja… ich meine KLAPPE MÉL!!!“
Erneut räusperte sich der Gefängniswärter und verteilte die Fotos vor mir und Ender auf den Tisch. Isato hatte nicht gelogen. Wer auch immer diese Fotos gemacht hatte mich auf jeder frischen Tat ertappt - oder zumindest vielen.
„Die Evidenz spricht gegen sie, Herr Mél.“
Ich konnte es nicht ganz glauben, doch Ender lachte leise.
„Ja Black Hawk, du bist nun ein Vogel im Käfig!“
„Krieg ich n netten Zellenkameraden?“ fragte ich scherzhaft, woraufhin zwei Polizisten eintraten und mich abführten. Ich leistete keine Gegenwehr. Was hätte es mir schon gebracht?

Unhöflich stieß man mich in eine Zweimannzelle, mit einem Klirren schloss sich die stählerne Tür in der Wand aus Gitterstäben. Die restlichen drei Wände waren aus kalten, dicken Beton, möglicherweise noch mit anderen Sachen vermischt. In der jetzigen Zeit war es nötig, Gefängnisse unnötig sicher zu machen, da einige Menschen mit übermenschlichen Kräften einer normalen Zelle mit Leichtigkeit entfliehen könnten. An einer der Wände gab es dann noch ein kleines mit Gitterstäben durchzogenes Fenster durch welches man hinaus auf den gleichen Platz sehen konnte, den man auch aus dem Büro des Gefängniswärters gesehen hatte.
Im Raum selbst gab es ein Waschbecken, eine abgetrennte Toilette mit Tür und ein nicht gerade gemütlich wirkenden Stockbett. Der Boden und die Decke war übrigens genauso hart wie die Wände und von der Decke hing noch eine kleine ungeschützte Glühbirne.
„Ah, so heimlich.“
„Echt jetzt, oder?“
Ich erstarrte in jedweder Bewegung.
„Entschuldige, ich korrigiere, himmlisch.“
Ich wandte meinen Blick zu dem oberen der beiden Stockbetten und sah, wer sich dort mit mir unterhielt. Die Stimme hatte mir den Köder geworden und mit dem Anblick hatte in den Haken gebissen. Ein Mädchen! Warte, wo war der Haken…?
„Kannst du aufhören zu starren. Ich polier dir ungern die Fresse.“
Ich nahm meinen Blick von ihr und setzte mich stattdessen unter sie auf das untere Stockbett.
„Wie kommt’s, dass die einen Jungen wie mich zu einem Mädchen wie dir sperren?“
Meine Frage war berechtigt, doch das Mädchen schien nicht beeindruckt.
„Mutationsart. Gleich und gleich gesellt sich gern.“
Ich blickte auf und sah wie sich eine schwarze Schwinge über den Bettrand streckte. Ja, sie hatte wohl recht, mit dem was sie sagte.
Ich, Kazuo Mél, war ein Mutant der Rasse Schwarzer Engel und ihren Worten nach zu urteilen war das Mädchen über mir nicht anders.
„Name?“
Eine knappe Frage, die ich ebenso knapp beantwortete und ihr dann zurück warf.
Vivi Asters. Kazuo? Der Name kommt mir bekannt vor. Der Black Hawk, nich wahr oder?“
Sie streckte ihren Kopf über den Bettrand und blickte zu mir herab, um mich genauer unter die Lupe zu nehmen.
„Oh Gott, was ne Ehre. Ender hat ne Menge von dir erzählt. Der Arme.“ sagte sie und begann lauthals zu lachen.
„Ja, er hatte seinen Spaß mit mir. Warum bist du hier? Hast du ihn auch auf die Palme getrieben?“
„Vergiss es Schätzchen, das is mein Geheimnis.“
„Oho, eine geheimnisvolle junge Dame also.“ scherzte ich und genoss ein weiteres Lachen meiner Zellenkameradin.
Sie hatte eine wirklich wunderschöne Stimme, tief, aber doch melodisch und angenehm. Im nächsten Moment schwang sie sich über ihre Bettkannte auf mich und warf mich rücklings ins Bett, wobei ich mir den Kopf an der harten Wand anschlug.
„Was soll das jetz?“ fragte ich genervt, meinen Kopf kratzend und das Mädchen auf mir betrachtend.
„Kazuo Mél, der Black Hawk.“ Sie strich mir mit ihrem Zeigefinger über die Brust.
„Mit dir werde ich noch meinen Spaß haben.“

Allen Spaß beiseite raschelte es genau zu diesem Moment an unseren Gitterstäben und räuspernd stand dort ein mechanischer Polizist - einer von Enders Leuten, nahm ich an.
„Essen in Kantine. Mitkommen.“ befahl er emotionslos. Ich konnte diese Blechdosen nie leiden. Sie waren so verschieden von normalen Menschen. Sie zeigten keine Gefühle, keine Nachsicht. Sie waren die „perfekten“ Polizisten aber dumm wie Brot, wenn es um irgendetwas anderes als ihre Arbeit ging.
Wir folgten der Blechdose gehorsam, denn wie man sich denken konnte, war mit ihnen nicht zu spaßen. Wir sprachen auf dem gesamten Weg nichts und noch andere Gefangene wurden zu unserer Gruppe hinzu genommen, dann erreichten wir die Kantine.
Es war ein großer Raum mit vielen Tischen und Stühlen. Oh, und schlechtes Essen gab es auch. Das war so ziemlich alles, das es über diesen Raum zu wissen gab.
Man durfte hier nicht laut sprechen und nicht aufstehen, ohne einen der Polizisten um Erlaubnis zu beten. Ich und Vivi saßen nebeneinander und aßen, so grässlich es auch schmeckte. Gesprochen hatten wir in der Kantine nichts.

Erst als wir eine dreiviertel Stunde später wieder in unserer Zelle waren öffnete sie wieder ihren Schnabel.
„Grässlich…“
„Ich hab schon Schlimmeres gegessen.“ wiedersprach ich ihr lächelnd, woraufhin sie mir einen Schlag in die Magengegen verpasste.
„Ich rede nicht vom Essen, Spatzenhirn, ich rede von Ender.“
„Musst du mich dafür gleich schlagen?“
Als hätte sie es, bis ich es gesagt hatte, nicht realisiert, was sie getan hatte, fiel es ihr nun wie Schuppen von den Augen und sie wich einen Schritt zurück.
„Ah, sorry. Der Typ macht mich einfach…“
Ich war etwas verwundert.
„Was hat er gemacht? Ich hab nichts gesehen.“ gab ich zu und sah, wie Vivi ihren Blick abwandte.
„Der Typ starrt mich an, dauernd, immer. Manchmal kommt er nachts hier vorbei und beobachtet mich im Schlaf.“
„Der Alte Spanner! Dieses… aber hast du es noch nie jemandem gesagt.“
„Klar! Aber wer würde mir schon glauben, dass der große Captain Ender kleinen Mädchen nachgafft.“
Ich Gedanken fragte ich mich, wer es ihr NICHT glauben würde. Aber vielleicht fiel es niemandem außer mir auf? Außerdem… kleines Mädchen, sie?
„Warte!“ mir war etwas aufgefallen. „Hast du es dem Gefängniswärter gesagt?“
Sie nickte stumm und sah mich an. Dass ich plötzlich voller Energie war überraschte sie etwas. Noch mehr überrascht war sie, als ich plötzlich zu lachen begann.
„Jetz kapier ich‘s! Der Gefängniswärter hatte heute keine andere Wahl, als mitzukriegen, wie sehr der gute Ender auf kleine Mädchen abfährt. Er ist einer sexy Polizistin ziemlich auf die Pelle gerückt, direkt vor den Augen des Wärters! Er muss sich an deine Beschwerde erinnert haben und mich deshalb zu dir in die Zelle gesperrt haben, damit der gute Ender hier nichts mehr zu gucken hat.
Der Typ hasst mich. Der würd mich nicht freiwillig in der Nacht besuchen!“
Ein Lächeln zog sich auf das Gesicht Vivis, während sie das, was ich gesagt hatte, in sich aufnahm. Dann schlang sie ihre Arme um mich und küsste mich herzlich. Ich hatte schon recht, wenn ich diesen Ort himmlisch bezeichnete!

Ich hatte die Nacht über kein Auge zugetan, immer Ausschau nach Ender gehalten, ihn jedoch nie zu sehen bekommen. Mein erster voller Tag hinter Gittern brach an. Ich war klarerweise Müde, doch ein weiterer herzhafter Kuss hatte mich schneller aus meiner Müdigkeit gerissen, als … jeder Wecker, den ich je nicht gehabt hatte! Ich hatte es nicht einmal bemerkt gehabt, wie sie sich Kopfüber von ihrem Bett herablassen hatte, bis ihre Lippen die meinen berührten, dann stürzte sie herab und erneut schlug mein Kopf gegen die Zellenmauer und das Mädchen lag auf mir.
„Für einen Engel fällst du erschreckend mehr, als dass du fliegst.“ kommentierte ich den Sturz und bekam als Dank morgendliches Gelächter. Ja, nun war ich definitiv wach.
Im Gegensatz zum Vortag zog sich Vivi dieses Mal von selbst von meinem Körper und begann sich am Waschbecken frisch zu machen. Ich zog es vor, ihr dabei zuzusehen, anstatt mich aus meiner unbequemen Position, in die das Mädchen mich gebracht hatte, zu ziehen.
Der Vormittag verging ereignislos. Es gab Frühstück in der Kantine… wäh… und nicht mehr. Abgeschlossen wurde der Vormittag mit Mittagessen in der Kantine… wäh again!

„Verdammt, ich bringe diesen Koch um!“ beschwerte ich mich, als wir uns am Nachmittag auf dem Platz im „Freien“ befanden. Frei war er nicht wirklich, denn es gab eine unsichtbare, magische Decke hoch über unseren Köpfen. Es war kein Wunder, denn sonst würde jeder geflügelte Mutant die Chance sofort nutzen und fliehen.
„Koch? Du denkst wirklich, dass wer auch immer für dieses Müll zuständig ist, kochen kann?“
Vivis Worte schienen einleuchtend. Wir hatten eine halbe Stunde Freizeit hier draußen, bis man mit uns Sport betreiben wollte. Diese halbe Stunde nutzten wir für einen gemütlichen Spaziergang.
Der Platz war nicht wirklich ein passender Ort für einen romantischen Spaziergang, ich gebe dass zu, doch was hatten wir für eine Auswahl?
Auf dem Weg bemerkte ich an einigen Stellen an den Wänden seltsame rote Punkte. Wenn wir uns ihnen näherten verschwanden sie jedoch sofort. Vivi schien sie entweder nicht zu bemerken oder zu ignorieren. Sie gab ihnen erst ihre Aufmerksamkeit, als sie bemerkte, wie ich die Dinger anstarrte.
„Das sind Augen.“
Diese ihre Aussage ließ mich ihr einen Blick zuwerfen, der mit der Frage „Bist du verrückt?“ gleichzustellen gewesen war. Sie fand den Blick wohl komisch und lachte.
„Ich meins ernst, die Dinger gehören zu einer Polizistin, die hier irgendwo rumschwirrt. Sie überwacht mit Ihnen alle Orte, an denen sich viele Gefangene aufhalten. Wenn du dich in der Kantine mal von den Köstlichkeiten abwenden kannst, sieh dich um und du wirst sicher auch ein paar davon an den Wänden finden.“
Der Gedanke beunruhigte mich etwas. Wir wurden also die ganze Zeit von diesen Dingern beobachtet.
„Der Name der Polizistin ist Isato Lieel. Sie ist diejenige, die mich gefasst hat.“ bemerkte Vivi dann, und ich erinnerte mich sofort an das Mädchen aus dem Büro des Gefängniswärters.
„Sag gleich, die Augen können Fotos machen.“ scherzte ich dann, woraufhin Vivi unüberraschenderweise nickte.
„Das ist genau, was sie machen. Sie kann zwar direkt durch sie sehen, jedoch kann sie auch auf jeden einzelnen Moment, den die Augen je gesehen haben zurückgreifen. Woher weißt du davon?“
„Hehe, sie hat einige Fotos von mir als Beweismittel bei meinem Verhör vorgelegt. War etwas blöd. Ender hätt sie fast umarmt dafür.“ bemerkte ich grinsend, woraufhin Vivi ebenfalls grinste.
„Hätt er‘s doch bloß gemacht, hätt sie ihn in Stücke gerissen. Isato ist gefährlich…“
Ich wollte fragen was an ihr gefährlich sei, doch wurden wir dann zum Sport gerufen, was unseren Redefluss eindämmte.

Nach dem Sport fanden wir uns in unserer Zelle wieder. Wir hatten laufen müssen, Liegestützen machen und anderen Müll, der keinen interessiert. Vier waren beide verschwitzt und hätten eine Dusche benötigen können - Duschtag war jedoch nur zweimal die Woche, also mussten wir den Rest des Nachmittags und die kommende Nacht im Schweiß verbringen.
Seltsam, auch die aufgrund von Schweiß versalzenen Küsse eines Mädchens wie ihr sind unglaublich süß. Aus irgendeinem Grund hatten sie mich vergessen lassen, worüber wir auf dem Platz gesprochen hatten. Aus irgendeinem Grund ließen sie mich nicht bemerken, dass auch in unserer Zelle ein rotes Auge an einer der Wände ins Leere starrte.

Dieses Mal hatte ich nachts keine Befürchtungen, Ender würde uns besuchen, so schlief ich, soweit das unbequeme Bett dies zuließ, durch.
Als ich erwachte erinnerte ich mich an mein Gespräch mit Vivi über Isato und kletterte sofort zu ihrem Bett hoch, um sie aufzuwecken und auf die letzte Frage zurückzukommen. Dummerweise war Vivi jedoch nicht, wo sie sein sollte. Ich kletterte wieder herab, dann klopfte ich an die Toilette und erreichte auch dort nichts.
„Vivi…?“
Sie war verschwunden. Wie konnte das sein. War es schon Frühstückszeit und ich hatte verschlafen? Nein, sie hätte mich sicher geweckt, wenn es das gewesen wäre. Hätte sie mich nicht bei allem geweckt?
„Essen in Kantine. Mitkommen.“
Die Stimme des mechanischen Wesens holte mich aus meinen Gedanken zurück. Ich folgte ihm zum Frühstück - ihn nach Vivi zu fragen, war klarerweise sinnlos, denn woher sollte eine Blechdose wie er das wissen? Ich frühstückte mit den unzähligen anderen Gefangenen und wurde dann in meine Zelle zurück geführt. Ein leises Wimmern ließ mich darauf schließen, ich war nichtmehr alleine.
Nichts Gutes ahnend kletterte ich zum oberen Stockbett empor und betrachtete Vivi, die dort ihren Kopf heulend in ihrem Kissen vergrub. Ich fragte mich, ob sie mich schon bemerkt hatte, streichelte ihr dann jedoch beruhigend über den Rücken. Unerwartet erschrak sie, ließ ihre Flügel erscheinen, spreizte diese aus und warf mich vom Bett auf den harten Boden…
„Verdammt, ich bin auch gut im Fallen…“ beschwerte ich mich, woraufhin Vivi realisierte, wen sie grad vom Bett geworfen hatte und ihr Heulen mit einem Lachen unterbrach. Sie sah über die Bettkante zu mir herab, weinend und lachend gleichzeitig.
„Ja, lach mich nur aus, du.“ lachte ich ihr entgegen und kletterte wieder zu ihr empor. Oben angekommen trafen unsere Gesichter aufeinander und sie küsste mich spontan, was mich beinahe erneut in die Tiefe hätte stürzen lassen, wenn sie mich nicht mit beiden Händen festgehalten hätte.
Nach dem Kuss fiel mein Blick auf ihre Arme, welche blaue Flecken aufwiesen. Als ich sie darauf ansprach verschwand jedes Anzeichen eines Lächelns wieder von ihrem Gesicht. Sie drehte mir ihren Rücken zu und wollte nicht mit mir darüber sprechen. Ich begann etwas entrüstet ihren Rücken zu streichelt, bis wir zum Mittagessen abgeholt wurden.

Der Nachmittag brachte dann unter anderem die Chance, sich zu Duschen. Klarerweise war das jedoch keine Zeit, wo ich mich mit Vivi hätte unterhalten können. Dummerweise unterhielt ich mich jedoch den restlichen Tag nicht mit ihr. Auch wenn wir dann wieder zusammen in unserer Zelle waren, blieb sie ruhig in ihrem Bett liegen und ignorierte jedes Wort, das ich sprach.
Am nächsten Morgen war sie dann wieder verschwunden… nach dem Frühstück war sie wieder zurück und heulte… dann sprach sie nichts mit mir und tat so, als würde sie schlafen…
Dies zog sich einige Tage so hin… dann kehrte sie erst nach dem Mittagessen zurück…
Ihre Verletzungen wurden schlimmer und ich begann mir Sorgen zu machen. Schließlich entschied ich mich, wieder eine Nacht wach zu bleiben und Wache zu halten.
Um Punkt 04:00 Uhr morgens am nächsten Tag öffnete sich unsere Zellentür und wortlos stieg Vivi aus ihrem Bett herab, zu der Person, die sie erwartete.
„Nicht so schnell!“
Ich war aufgesprungen, hatte mich vor Vivi gedrängelt und mich auf die Person in der Tür gestürzt.
In der totalen Dunkelheit hatte ich sie zuerst nicht erkannt, doch nun blickte ich klar in die Augen Isato Lieels.
Während meinem Sprung auf die Polizistin hatte ich Vivi hinter mir schreien gehört. „Stop, Kazuo!“ doch war es zu spät gewesen und ich hatte das Mädchen auf den Boden geworfen.
Ich blickte ihr in die Augen, sie mir in die meinen, dann verschwand sie, ich hob meinen Blick und hunderte von roten Augen begannen in der totalen Dunkelheit zu erstrahlen. Vivi packte mich von hinten an meinem Arm.
„Du Idiot… Jetzt wird sie dich zerfetzen.“
„Keine Sorge...“ erwiderte ich unruhig und blickte zurück zu Vivi. Diese stand ganz hinten in der Zelle an der Wand und hatte ihre Hände erschrocken vor ihren Mund gehoben. An meiner Hand hielt mich… Isato.

An mehr kann ich mich von dieser Nacht nicht erinnern. Ich habe Vivi von diesem Tag an nie wieder gesehen. Auch als ich ein halbes Jahr später wegen guter Führung entlassen wurde, konnte mir niemand Informationen über sie geben.
Ender hatte alles versucht, um meine Gefangenschaft zu verlängern, doch war er gescheitert.
Isato Lieels… sie war mir seit dieser Nacht nahezu täglich über den Weg gelaufen. ich sah ihre Augen überall, in jedem einzelnen Raum des Gefängnisses und auch noch Wochen, nachdem ich dieses verlassen hatte.
ich hatte den Gefängniswärter bei meiner Entlassung gefragt, was mit Vivi passiert sei. Seine Antwort war… erschreckend…
„Vivi Asters? Wovon sprechen sie, Herr Mél?“
Als ich ihm gesagt hatte, dass sie in der ersten Woche meine Zellenkameradin war, sah er mich etwas verwirrt an.
„Aber aber, Herr Mél. Wir könnten doch nie ein Mädchen mit einem Jungen in eine Zelle sperren und außerdem sie waren doch immer alleine. Hahaha, sie sind wahrhaftig ein Scherzkeks. Der Aufenthalt hier, scheint ihren Humor nicht gedämpft zu haben.“

„Ich spüre immer noch den Geschmack ihrer Lippen auf meinen… es ist unmöglich, dass du nicht existiert hast… oder?“ fragte ich, über meine Schulter zu dem Gefängnis hinter mir blickend. Langsam schüttelte ich meinen Kopf und ging meines Weges… Wahrheit oder nicht, ich würde sie niemals vergessen.